Detlef Rönfeldt

Das doppelte Pensum | Presse

 

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epd 82/17.10.1984

Realistischer Alltag

"Doppeltes Pensum", Vorprogrammserle von Nikolal Zink nach Motiven von Ingeborg Drewitz (ARD/SFB, seit 27. 9.)

epd   Es ist schon etwas besonderes, dass zwischen den drei Damen vom Grill, die hart aber herzlich ihre Berlin-Geschichten vom Rost reichen, und den Leuten von Korsbaek, die sich mit Uta um den eigenen Herd, der Goldes wert sein soll, sorgen, dass zwischen all diesen mehr oder / minder üblichen Vorabendserien mit ihren vielgestaltigen Helden plötzlich am Fließband angelernte Arbeiterinnen eines Chemiekonzerns auftauchen und zu Hauptfiguren eines Werberahmen­programms werden. Doppeltes Pensum meint Beruf und Haushalt, meint die mehrfache Belastung, denen diese Frauen vielfach ausgesetzt sind. Es ist eine Serie, die in ihrer Figuren­konstruktion und Milieubeschreibung anknüpft an die allzu schnell abgebrochenen Versuche des Arbeiterfilms im Fernsehen der frühen siebziger Jahre, es ist eine Vorabendserie, die realistisch wie lange nicht Alltag schildert.

Die in den Betriebsrat gewählte Arbeiterin Hilde Nannen (Elke Aberle) steht im Mittelpunkt der Geschichte. Sie will nicht nur weibliches Alibi des Betriebsrats sein, sondern setzt sich engagiert für einen Facharbeiterinnenlehrgang ein und entwickelt im Notfall subversiven Einfallsreichtum, um etwas durchzusetzen. Nach und nach lernen wir dabei verschiedene Frauen von den Tablettenfließbändern, aber auch Angestellte aus der Verwaltung mit ihren Problemen, ihrer Isolation und den kleinen Formen gegenseitiger Hilfe kennen. Die mehrfache Beanspruchung der Frauen besteht nicht nur in der Arbeit, sondern eben auch in der Führung des Haushalts, in der täglichen Auseinandersetzung zwischen den Geschlechtern um Rollenverständnis und konkreter Arbeitsteilung beim täglichen Kleinkram. Dieser Geschlechterkampf findet in allen sozialen Schichten statt und auf allen Ebenen, im Management ebenso wie im Betriebsrat, bei den Alten wie bei den Jungen.

Was die Serie so erfreulich macht, ist, dass die Figuren nicht ausgedacht wirken, sondern glaubwürdig, lebendig, und dies, weil sie nicht als schiere Typen und soziale Stellvertreter daherkommen, sondern widersprüchlich gezeichnet sind. Hier werden endlich einmal neue Geschichten erzählt, nicht solche, die man so oder anders auf diesen Sendeplätzen schon tausendmal gehört und gesehen hat. Da ist die Werkzeitungsredakteurin, die glaubt, sich mit der Betriebsrätin und Arbeiterin auf einer feministischen Ebene zu verstehen, während diese die Fronten ganz anders sieht. Da freut sich der Polizeibeamte plötzlich, eine Zeitlang aus seinem Beruf aussteigen zu können, ganz Vater und Hausmann zu sein, damit seine Frau den Facharbeiterlehrgang machen kann. Umgekehrt ist der Mann der Redakteurin frustriert, gerade weil er den Haushalt und die Kinder am Hals hat und gern auch mal etwas anderes machen möchte und seine Frau darüber hinwegsehen möchte. Oder da ist die Hilfsarbeiterin Lisa, die unter der mehrfachen Belastung von Beruf, Haushalt, Kind, nörgelnder Mutter und Macho-Freund in der zu engen Wohnung zur Flasche und zu Medikamenten greift. Hier spürt man, dass Norbert (sic!) Zink und Ingeborg Drewitz für die Serie breit recherchiert und von den dabei gewonnenen Erfahrungen und Erkenntnissen viel in die Geschichten hineinbekommen haben. Die Direktheit und Frische, mit der hier für die Solidarität der Frauen untereinander und individuelle Hilfe durch den einzelnen eingetreten wird. ist sympathisch, weil sie dabei unterschiedliche Vorgehensweisen zulässt. Gewiss ist die Handlungskonstruktion in den zweimal 25 Minuten pro Folge (insgesamt sieben) manchmal etwas gewollt, Figuren zueinander oder Lösungen voranzubringen (z.B. wenn in der zweiten Folge die Kollegin Herta Lisas Macho-Freund von einer ganz anderen Seite kennenlernt und ihr die Augen öffnet). Doch wichtiger sind die vielen Alltagsdetails, die die Serie lebendig machen, sind die oft filmischen Formen, wie z. B. Stress am Arbeitsplatz über die Bewegungen oder Erstarrungen der Augen gezeigt werden. Über den von Folge zu Folge sich fortsetzenden Grundkonflikt wird auch Spannung und Interesse weiterzusehen erzeugt: welche neuen subversiven Strategien erfindet die Betriebsrätin Hilde, was geschieht, wenn sie das Kalkül des Managements unterläuft? Zwar weiß ich schon, der Facharbeiterinnenkurs wird letztlich scheitern, doch gespannt, wie es weitergeht bin ich trotzdem. Und das ist mir bei einer Vorabendserie lange nicht mehr passiert. Darüber lässt sich der ganze internationale Serienschrott, der sich sonst so häufig auf diesen Sendeplätzen tummelt, vergessen.

Knut Hickethier

 

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