Detlef
Rönfeldt Veröffentlichungen |
Prager Ironie
Zwei
Bücher von und über Bohumil Hrabal (Rezension) Die Welt, wie Bohumil Hrabal sie sieht, ist eine
„gigantische Kneipe“. Seine Figuren sprechen über ihr Leben, als hätte das
zweite oder dritte „zehngrädige Bierchen“ ihnen die Zunge gelöst: brabbelnd,
schwafelnd, bramarbasierend, sprunghaft, respektlos, obszön, aber immer
lustvoll, immer voller Enthusiasmus. „Automát Svět“ („Stehimbiss Welt“)
hieß, so programmatisch wie folgerichtig, ein Band mit ausgewählten Texten
Hrabals, der 1966 in Prag erschien – zu einer Zeit, als Hrabals „spontaner
Surrealismus“ zum Inbegriff der Liberalisierung geworden war, jenes „Prager
Frühlings“ also, der 1968 im Herbst so freundschaftlich beendet wurde. Das Licht der Welt, die er liebt, „weil selbst die
furchtbarsten Ereignisse so viel Schönheit“ für ihn haben, erblickte Bohumil
Hrabal am 28. März 1914 im mährischen Brünn – also vor 75 Jahren. Er gilt,
neben Milan Kundera (der auch aus Brünn stammt, heute allerdings im
französischen Exil lebt), als zweite Galionsfigur der tschechischen Gegenwartsliteratur.
Freunde und Leser wollten ihn schon vor zwanzig Jahren zum „König der
tschechischen Prosa“ krönen. „Ich bin weder ein innerer noch ein äußerer Emigrant“,
hat Hrabal jüngst geschrieben. Und: „Es würde mir nicht im Traum einfallen,
die politischen Verhältnisse, in denen ich lebe, verändern zu wollen.“ Sein
Widerstand ist anderer Art: Hrabals Helden sind „auf Erlebnisse versessene
Menschen, deren Köpfe vor tollen Träumereien glühen“. Jeder für sich ist
der Souverän einer Welt, die sich – durch das „Diamantauge“ der Imagination
gesehen – in ein irdisches (und zutiefst menschliches) Paradies verwandelt
hat. Seit 1976 dürfen Hrabals Bücher in Prag wieder
erscheinen. Er hat sich mit der Staatsgewalt „arrangiert“, und das hat ihm
den Vorwurf des Opportunismus eingebracht. Zu Unrecht. Denn die Geschichte
dieses „Arrangements“, sein „Widerruf“, in dem es mehr um Bier und Fußball
als um Politik ging; sein schlitzohriger Umgang mit den eigenen Texten, die
er vor der „offiziellen“ Veröffentlichung sämtlich umarbeiten musste und die
daneben in inoffiziellen Versionen kursieren oder in Exilverlagen
erschienen sind – das alles liest sich, als sei es selbst ein Text von
Hrabal. Und es ist auch ein Stück jener „Prager Ironie“, die er
so definiert hat: „Sie ist der vergebliche Kampf um den Menschen und für
seine Sicht auf die Welt, die ihn umgibt, sie ist der Kampf der Menschlichkeit
gegen den bloß formalen Humanismus, sie ist die Schlacht gegen die alleinseligmachende
Staatstheorie und den Apparat der Bürokratie.“ Zu Ehren Hrabals (und pünktlich zu seinem Geburtstag)
hat sein deutscher Verlag zwei Bücher vorgelegt. Das eine, „Hommage á
Hrabal“, ist ein von Susanna Roth mustergültig edierter Sammelband mit
Erinnerungen von und an Hrabal, mit Gesprächen, Essays, Erzählungen und Photos
aus Hrabals Leben. Es ist, als erste Möglichkeit, sich hierzulande handfest
und umfassend über den „Hašek des Sozialismus“ zu informieren, kaum hoch
genug zu rühmen. Das andere, „Das Städtchen am Wasser“, ist die unveränderte,
nur um Bilder Josef Jirás erweiterte Neuausgabe der bereits in drei
Einzelbänden der Bibliothek Suhrkamp vorliegenden „Nymburker Trilogie“ („Die
Schur“, „Schöntrauer“, „Harlekins Millionen“), in der Hrabal seine
„verlorene Zeit“ in dem Städtchen Nymburk beschwört, in dem sein Vater seit
1920 Brauereiverwalter war. Die Freude über so viel Hrabal ist zu groß, um den
Verlag ob seiner Editionspraxis zu rügen. Wünschenswert wäre allerdings
gewesen, dem „Städtchen am Wasser“ ein Nachwort beizufügen, in dem, sagen
wir, Susanna Roth die verwickelte Entstehungsgeschichte dieser Texte hätte
nachzeichnen können. Susanna Roth ist eine der besten Hrabal-Kennerinnen bei
uns. Sie war es auch, die anlässlich der deutschen Erstausgabe der „Nymburker
Trilogie“ in einer Rezension (in der Neuen Zürcher Zeitung) völlig zu
Recht die Frage gestellt hat, wie sinnvoll es sei, umgearbeitete
tschechische „Originale“ schlicht zu übernehmen. Sie hat damals sehr
kritische Worte an den Verlag gerichtet, für den sie jetzt „Hommage à
Hrabal“ herausgegeben hat: „Seit Hrabal publizieren darf, verfasst er Variationen
seiner Texte. Bevor aber eine offensichtlich (selbst) zensierte Fassung wie
„Schöntrauer“ einem fremdsprachigen Publikum kommentarlos vorgelegt wird,
sollte der Verlag sich überlegen, ob er dem Autor (und sich selbst)
längerfristig nicht eher schadet.“ „Das Städtchen am Wasser“ ist insofern also eine
verpasste Chance. Durch die gleichzeitig erschienene „Hommage á Hrabal“, die
jedem, der es genauer wissen will, nachdrücklich empfohlen sei, wird
möglicher Schaden allerdings mehr als aufgewogen.
Bohumil Hrabal: |
|