Ein
schlimmen Verriss schrieb Barbara Sichtermann in der ZEIT vom 29. 1. 1993:
Fernseh-Kritik
Ohne Sinn, Halt, Maß
Eine
tote Geisel, ein korrupter Politiker, ein verkrachter Anwalt, eine eiskalte
Rächerin könnten sehr wohl einen dramatischen Reigen anführen. Vor allem,
wenn sich herausstellt, dass der korrupte Politiker am Tod der Geisel
schuld ist, der verkrachte Anwalt nachts als Spanner wirkt und die eiskalte
Rächerin von Susanne Lothar gespielt wird. Aber das „Tödliche Augen“ von
Fred Breinerdorfer (Regie: Detlev [sic!]
Rönfeldt) vermochte es nicht, die Motivfülle zu ordnen und Krimispannung,
Liebesgeschichte sowie Psychodrama in eine plausibles Verhältnis zu setzen.
Solange
man noch nicht wusste, warum die eiskalte Rächerin ihr blutiges Handwerk
trieb, war man innerhin von der Krimispannung
gefangen – die Auflösung aber kam dank des neugierigen Spanners nur allzhu bald. Blieb die Liebesgeschichte: Aus dem Anwalt
und der Eiskalten möchte, so hoffte man, wenn nicht ein Paar, so doch eine
Konstellation werden, die dramatische Wucht entwickelt. Es reichte aber nur
zum Psychokram: Muttersöhnchen trifft Mänade, und sie reißt seine, er ihre
seelischen Wunden zu neuer Blutung. Auf der Schlußstrecke
setzte uns die Krimispannung noch einmal zu: Wird der verkrachte Anwalt den
korrupten Politiker austricksen? Fast schien es so – da kam die Rächerin
mit purpurrot gelackten Lippen und ‘ner Handgranate, und der Film endete im
Inferno: Es brannten zwei Millionen Mark und die drei Hauptfiguren
lichterloh.
Wie bloß kommen Schauerballaden nach Art des „Tödlichen Auges“ zustande –
Fernsehstücke ohne Sinn, Halt, Maß, Bogen und Handschrift? [...] Wie auch
immer: Eine Geschichte, wie das „Tödliche Auge“, vollgestopft mit
spektakulären Items, vom Mutterkomplex bis zum Terrorismus, von der
Impotenz bis zur Millionenerpressung, vom Höschenfetischismus
bis zur Grundstücksspekulation, muß scheitern. Natürlich gibt es all dieses Zeug im
wirklichen Leben. Aber es steht da in einem Zusammenhang, den herauszuspüren und nachzuzeichnen die Aufgabe der Kunst
wäre. Wer – als TV-Autor – mit den spektakulären Items anfängt und den
Zusammenhang hinterher hineinkonstruiert, setzt
sich dem Verdacht aus, nur noch Spielmarken im Plot-Puzzle zu verschieben,
anstatt zwischendurch mal bei der Wirklichkeit vorbeizuschauen.
(Barbara
Sichtermann)
|